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Der junge Mann von Byrsa hatte europäische Vorfahren

Im Jahr 1994 wollte ein Mann an der Südflanke des Hügels von Byrsa Olivenbäume pflanzen, als er in ein Loch fiel. Das Loch stellte sich als ein altes phönizisches Grab heraus, welches sich als Fundgrube für Archäologen erwies.

Neben diversen Grabbeigraben enthielt es das komplette Skelett eines jungen Phöniziers, der rund 2.500 Jahre dort geruht hatte. Forscher der New Zealand’s University von Otago konnten sein komplettes mitochondriales Genom entschlüsseln, es war das erste Mal, dass phoenizische DNA untersucht werden konnte. Anhand der heutigen forensischen Möglichkeiten konnte sogar das vermutliche Aussehen des jungen Mannes rekonstruiert werden (Foto).

Der junge Mann, Ariche genannt, kam aus Byrsa, einer ummauerten Zitadelle über dem Hafen des historischen Karthago. Byrsa wurde 146 v. Chr. von den Römern zerstört. Er war von robuster Statur, etwa 1,70m groß und starb in einem Alter von 19 – 24 Jahren. Er wird wohl zur karthagischen Elite gehört haben, denn er wurde mit Edelsteinen, Skarabäen, Amuletten und sonstigen Artefakten beerdigt.

Die genetischen Untersuchungen ergaben eine verhältnismäßig seltene, europäische DNA, die ihn mütterlicherseits mit der nördlichen Küste des Mittelmeeres, speziell mit der iberischen Halbinsel verbindet (heute Spanien/Portugal). Die Haplogruppe U5b2c1 ist eine der ältesten Haplogruppen Europas. Diese Menschen lebten im Nordwesten Spaniens und waren Jäger und Sammler, wie man aus archäologischen Ausgrabungen weiß. Nordafrika errreichten sie ungefähr im späten 6. Jahrhundert vor Chr., nachdem sie von neusiedelnden Ackerleuten aus dem Nahen Osten verdrängt wurden. Sie wichen in den Süden der iberischen Halbinsel aus, wo sie mit Puniern in Kontakt kamen, die dort Handel trieben. Von dort aus gelangten einige Vorfahren in den genetischen Schmelztiegel Karthago.

Heutzutage ist die Haplogruppe U5b2c1 sehr selten, etwa 1% der europäischen Bevölkerung besitzt diese DNA noch. Ariche’s nächste Verwandten leben im heutigen Portugal.

Anscheinend besaßen die phönizischen Vorfahren Ariches keine Verbindung mehr zur Ostküste des Mittelmeeres, von der sie einst kamen. Eine Untersuchung der mütterlichen DNA bei 47 modernen libanesischen Menschen ergab keine Verbindung mit der mütterlichen DNA von Ariche, die Phönizier waren wohl in Carthage sesshaft geworden.

Die Phönizier waren Seefahrer und Händler, die vom heutigen Libanon ausgehend ihre Kultur über den gesamten Mittelmeerbereich bis hin zur iberischen Halbinsel ausgedehnt und überall Siedlungen und Handelsposten errichtet hatten. Karthago war erst als phoenizischer Hafen errichtet worden, später wurde es zum Zentrum des punischen Handels.